Text for show at Georg Kargl Fine Arts 2009
In der ästhetischen Theorie stehen Individualismus und Kollektivismus für konkurrierende Auffassungen der künstlerischen Rezeption. Individualismus unterstreicht das Primat der Erfahrung des einzelnen Betrachters in seiner individuellen Begegnung mit dem Kunstwerk. Kollektivismus betont, dass jede Erfahrung Bestandteil eines ästhetischen Kollektivs ist. Der ästhetische Kollektivist erlebt Kunst gemeinsam mit anderen Menschen. Für den Individualisten ist der Kunstbetrachter im Wesentlichen alleine. Individualismus entspricht wohl eher dem gesunden Menschenverstand; immerhin entsteht jede Erfahrung im Kopf des einzelnen. Der Kollektivismus verweist jedoch auf die Tatsache, dass beim individualistischen Ansatz ein bedeutender Aspekt unbeachtet bleibt: das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das bei einer gemeinsamen ästhetischen Erfahrung erzeugt wird. Dieses Gefühl ist nicht etwa nur ein zufälliges Phänomen, sondern wesentlicher Bestandteil jeder Kunst, ob man sie nun im Konzerthaus, im Kino oder im Museum erlebt. Nach Kant beschränkt sich wahre Kunst keineswegs auf das rein individuelle Wohlgefallen; Kunst muss stets den sensus communis des Betrachters ansprechen, und die Entfaltung dieses sensus communis bedarf der Erfahrung von Kunst.
Die neue Ausstellung von Clegg & Gutmann ist als Essay über die verschiedenen konkreten Formen des ästhetischen Kollektivismus in ihrer aktuellen künstlerischen Arbeit konzipiert.